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Bereich B - Multivalente Konjugate zur Untersuchung von Wirkungsprinzipien

Biologische Schlüsselprozesse wie Zellwachstum, Zelldifferenzierung und Zellkommunikation werden über ein Netzwerk integrierender Biomoleküle kontrolliert. Die gegenseitige Erkennung der Biomoleküle erfolgt über charakteristische Einheiten. Ist die einzelne Wechselwirkung schwach, kann die Affinität im biologischen Kontext durch mehrmalige Präsentation der Bindungsmotive verstärkt werden, um einen biologischen Effekt auszulösen. Beispielsweise bedingen multivalente Protein-Protein-Interaktionen die Funktion von Transkriptionsfaktoren und Adapterproteinen in der Regulation der Genexpression und des

Vesikeltransports. Das Clustern von Zelloberflächenrezeptoren durch extrazelluläre Wachstumsfaktoren sowie die nachfolgende schrittweise Rekrutierung und Aktivierung intrazellulärer Signalproteine wird ebenfalls durch multivalente Erkennungsphänomene vermittelt. Umgekehrt eröffnet die dichte Anordnung von Rezeptroren auf einer Zelloberfläche niedrig affinen Bindungspartnern die Möglichkeit, auch bei niedrigen Konzentrationen Effekte auszulösen, vorausgesetzt, dass letztere multivalent präsentiert werden.

Die erhöhte Affinität, die bei multipler Präsentation identischer Bindungsmotive resultiert, wird in der Biologie häufig mit dem Begriff der Avidität umschrieben. In den chemisch und/oder strukturbiologisch ausgerichteten Wissenschaften wird der Begriff Multivalenz bevorzugt. Besondere Bedeutung kommt hierbei den verknüpfenden Strukturen zu, durch die die multivalente Präsentation gewährleistet wird. Intensiv untersucht wurde Multivalenz bei Kohlenhydrat-Lektin-Wechselwirkungen. Dabei stand die Erzielung möglichst hoher Verstärkungsfaktoren β im Vordergrund. Im Gegensatz dazu wurden multivalente Erkennungsprozesse bei der intrazellulären Protein-Protein- und Nucleinsäure-Ligand-Interaktion bisher wenig genutzt. Das Ziel des Projektbreichs B ist, durch ein Design mutlivalenter Inhibitoren in biologische Erkennungsvorgänge regulierend einzugreifen oder diese sogar zu unterbinden.

Die räumlich definierte Präsentation von Liganden auf Nukleinsäurearchitekturen gestattet es, die Reichweite der multivalenten Bindung auszuloten und grundlegende Fragen zur Spezifität zu beantworten. Gibt es für den Abstand zwischen den Rezeptor/Ligandmodulen einen Grenzwert, ab dem die multivalente Bindung nicht mehr verfestigend wirkt? Am Beispiel von Mannose-bindenden Lektinen werden wir eruieren, wie durch räumlich gerichtete Multivalenz Spezifität für einen bestimmten Rezeptor eingestellt werden kann. Durch gerichtete Präsentation von Anionen werden wir spezifische Binder für argininreiche Rezeptoren konstruieren.

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Im TP B5 werden neue Peptid- und Proteinkonjugate entwickelt, um das funktionale Targeting von multivalenten Rezeptoren in vitro und in vivo zu verbessern. Hierbei sollen größere Proteine wie virale Kapside und bakterielle Flagella-Filamente als multivalente Gerüstsysteme für Interaktionen mit viralen Glykoproteinen erschlossen werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die chemoselektive Konjugation neuer multivalenter Liganden, beispielsweise PEGylierte oder strukturell stabilisierte Peptide sowie Oligosaccharide, an Proteingerüste und Polymere insbesondere über eine Affinität-getriebene dynamische Ligation. Diese funktionalen Konjugate werden für die Adressierung biologisch und pharmakologisch relevanter C-Typ-Lektinrezeptoren und membranständige Scavenger-Rezeptoren verwendet und für die Untersuchung in  medizinisch relevanten Virus-Wirtszell-Wechselwirkungen in hochpathogenen Viren angewandt.

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Elektrostatische Wechselwirkungen spielen eine wesentliche Rolle in der molekularen Erkennung von Proteinen. Lineare und globuläre anionischen Polymere, sowie passgenaue Systeme mit komplementärer Ladung zu Rezeptoroberflächen sollen als Inhibitoren der oligovalenten Proteine LOX-1 und C1q evaluiert werden. In vitro Bindungsstudien inklusive zellulärer „readout“ Systeme werden genutzt um den iterativen Prozess der chemischen Synthese zu befördern, mit dem Ziel eine maximale Abschirmung zu erreichen.

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Im Fokus des Teilprojektes B8 steht die biophysikalische und biologische Charakterisierung multivalenter Kohlenhydrat-Kohlenhydrat-Interaktionen. Relevante Kohlenhydrate werden synthetisiert und in multivalenter Form auf der Oberfläche von Nanopartikeln präsentiert, um eine Bindungsavidität im biologisch relevanten Bereich zu ermöglichen. Am Beispiel der tumorspezifischen Kohlenhydrate GM3 und Gg3 sowie GB4 und GalGB4 soll die Eignung dieser Tumorantigene für ein zellspezifisches Imaging untersucht werden. Weitere Kohlenhydrate wie die Heteroxylane werden mit automatisierter Festphasen-Synthese hergestellt, und der Einfluss der Multivalenz auf die Kohlenhydrat-Interaktionen wird untersucht.

Im Projekt B9 werden flexible multivalenten Proteinliganden als Inhibitoren für flexible multivalente Protein-Proteininteraktionen entwickelt und in intrazellulären Anwendungen untersucht. Als Zielproteine werden zwei Typen von bivalenten Proteinrezeptoren bearbeitet, die Tandem-WW-Domäne von FBP21 sowie die Tandem-SH2-Domänen der SYK- und der ZAP70-Kinasen. Zellgängige multivalente Peptidpolymere werden durch die modulare Kupplung von Funktionspeptiden, Transportpeptiden und Fluorophoren auf Trägerpolymere hergestellt. Parameter für das Design der Peptidpolymere werden aus vergleichenden Messungen der Bindung verschiedener biokompatibler Trägerpolymere an Proteine erhalten. Wichtige Messparameter sind die enthalpischen und entropischen Anteile der Bindungsenergie, die Stöchiometrie der Wechselwirkung und das Aggregationsverhalten der multivalenten Ligand-Protein-Komplexe. Aus molekulardynamischen Modellrechnungen in C2 (Weber) werden Schlussfolgerungen für optimierte multivalente Polymerliganden abgeleitet, die anschließend in funktionellen biologischen Experimenten überprüft werden.

Dieses Projekt widmet sich der zellulären Aufnahme von glykolipidbindenden DNA-Tumorviren in Säugerzellen, spezifisch des Polyomavirus SV40. Einzelne SV40 Virionen binden multivalent an mehrere Glykolipide in der Plasmamembran von Wirtszellen. Es ist bekannt, dass SV40 Bindung an Glykolipide zur Verformung der Membran und zur Abschnürung von Vesikeln in die Zelle führt. Dieses Projekt wird die Rolle der Geometrie und Valenz der Bindestellen mittels hochauflösender Mikroskopie und der Zugabe von spezifisch entworfener multivalenter Inhibitoren genauer untersuchen und besonders die Rolle der multivalenten, geometrisch organisierten Bindung für den intrazellulären Transport aufklären.

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